Adas Kisten
I. Gedankengang
Ein schmaler Gang bildet den Zugang zur CAVE: ein »Geheimgang«, nicht sichtbar von Außen, nur erfahrbar im Durchschreiten, der objektivierende, distanzierende Blick von Außen ist nicht möglich. Ein »Geburtskanal«, der sich weitet zur Visualisierung der Welt. Was auch immer in der CAVE visualisiert werden wird – es sind Modelle.
Das ist unser Ausgangspunkt.
Unser Ziel ist nicht, diesen Gang zu schmücken oder ihn in Frage zu stellen. Dieser Gang wird weder auf- noch abgewertet. Er ist ein Faktum, von dem wir ausgehen und mit dem wir umgehen. Wir gehen damit um als Bildhauer (oder zumindest auf eine bildhauerische Art und Weise), nicht als Informatiker oder Architekten. Das heißt wir gehen um mit Volumen, Masse und dem Material in seiner Stofflichkeit, aus der sich eine bestimmte Oberfläche ergibt.
Der Innenraum des Ganges wird losgelöst von seiner Funktion, objektiviert, sein Volumen wird verfestigt und ans Tageslicht gebracht. Der Raum, der für den Betrachter nur im Hindurchgehen existiert, erscheint im 1:1 Modell als Körper im Außenraum und ist nun von Außen zu betrachten.
Allerdings wird dieses Modell gedreht, wie im Computer einfach in eine andere Position gebracht, auf den Kopf gestellt und in Einzelteile zerteilt. Die ursprüngliche Anordnung dieser Einzelteile ist aufgehoben und gehorcht neuen Gesetzen. Aus dem funktionalen Volumen wird eine autonome Skulptur.
Die Skulptur ist die Materialisierung des Zuganges zu dem Ort, an dem Erwartung in Erfüllung gehen soll, in Erfüllung gegangen ist / nicht gegangen ist.
Sie ist Ada Lovelace gewidmet (1815-1852), die als Mitarbeiterin von Charles Babbage aufgrund ihrer schriftlichen Kommentare zur mechanischen Rechenmaschine »Analytical Engine«, in der sie einen Plan vorlegte zur Berechnung der Bernoulli-Zahlen, als die erste Programmiererin gilt.
II. Alles in immer kleinere Einheiten zerlegen – alles aus kleinen Einheiten aufbauen.
Und ganz wichtig: Der Perspektivwechsel!
Die meisten Dinge lassen sich von vielen Seiten aus betrachten und sehen jeweils ganz anders aus: Winkel verschieben sich, aus Innenraum wird Außenraum, negativ wird positiv.
Abgesehen davon wollen wir einen Innenhof, der gegliedert wird, der einen Schwerpunkt erhält und ein Gesicht nach Außen hat. Die Skulptur schafft eine Verbindung von unten nach oben, vom Innenraum zum Außenraum, vom Institutsgelände zum Campus. Vom Straßenraum nordöstlich des Gebäudes führt die Skulptur in den Innenhof.
Das nicht vorher gesehene
• Der zeitliche Abstand
• Der Perspektivwechsel
• Der Status Quo
• Der emotionale Abstand
Das virtuell so »leicht« Revidierbare
Wenn es da ist – da ist, wie es ist, wie es gemacht ist.
Der Wissenschaftler, was denkt er im Gang, auf dem Weg zur Arbeit ?
III. »Beziehungskiste«
Der Blick vom öffentlich zugänglichen Eingangsbereich des Instituts in den Innenhof und hinüber zur CAVE visualisiert auf subtile Art den möglichen Zugangsweg, fernab aller Leitsysteme im Altbau. Diese Ansicht lenkt die Aufmerksamkeit Richtung CAVE, auch wenn dem auswärtigen Besucher der konzeptuelle Zusammenhang nicht sofort klar sein wird. Bei den Nutzern des Gebäudes wird dieser Zusammenhang jedoch in einer Art mündlichen Historie fest verankert und immer wieder kommuniziert werden.
Im Innenhof vermittelt die Skulptur in ihren Dimensionen zwischen der Körpergröße des Betrachters und der Architektur. Das Spiel mit der subtilen Abweichung von der Senkrechten und der Waagrechten, mit unterschiedlichen Höhen, Drehungen, Winkeln wird eine eigene Wirkung im Innenhof entfalten. »Deckel« (am kleinen Lichthof) und »Kiste« beziehen sich durch gleiche Grundflächen aufeinander.
Der Farbkontrast zur orange-roten Wand des Hörsaaltraktes und der Oberflächenkontrast zur filigran gestalteten Sichtbetonoberfläche der CAVE, baut auch in den Oberflächen eine spannende Beziehung auf.
Ganz anders, als aus dem Innenhof ist der Blick aus den oberen Etagen: Hier wird deutlich, dass der von unten so hermetisch erscheinende Block doch auch wieder nur ein Hohlraum ist. Ein Innenraum umgrenzt von einer Mauer. Wer baut das Modell dieses Raumes?
IV. Material und Herstellungsprozess
Die Skulptur besteht aus 4 Einzelteilen. Sie werden vor Ort verklebt aus Blöcken von Basaltlava. Das Material »Basaltlava« nimmt in Erscheinung und Entstehung Bezug auf den zur Isolierung der CAVE und des Zuganges verwendeten Glasschaum. Basaltlava ist ein (in der optischen Erscheinung der Oberfläche) natürliches Äquivalent des durch Aufschäumen von Glas mit CO2 hergestellten Werkstoffes Glasschaum. Sowohl die Farbe, als auch die durch unzählige Gasbläschen gebildeten Poren stellen eine Korrespondenz der beiden Materialien her. Das Fugenbild nimmt in jedem Einzelteil der Skulptur Bezug auf ihre geometrische Herleitung, verstärkt das Spiel mit den schiefen Winkeln und bringt die Strenge der Geometrie ins Wanken.
Kunstwettbewerb
Bayerische Akademie der Wissenschaften
Erweiterung des Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) zum Zentrum für Supercomputing (ZfS)
Verfasser
Günther Hacker Panick
Martina Günther, Architekin Stadtplanerin
Nausikaa Hacker, Bildhauerin
Ulrich Panick, Bildhauer
Seit 1997 arbeiten wir als interdisziplinäre Gruppe von (zunächst drei, seit 2010 zwei) bildenden Künstlern und einer Architektin an Projekten für den öffentlichen Raum.