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Obwohl ich schon unter dem filigranen Zollinger-Dach des Radebeuler SSV Lössnitz übernachtet habe und mir immer wieder über die Erscheinung unseres Bootshauses Gedanken gemacht habe, kannte ich diesen Bautyp gar nicht. Tatsächlich: Es gibt eine Typologie »Ruderbootshäuser«.
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Petra Hoffmann’s Sammlung gibt einen umfassenden Überblick zu ca. 100 erhaltenen Bootshäusern. Historische und aktuelle Fotos, Pläne und Beschreibungen laden auf 256 Seiten zum Blättern ein. Auf den Seiten 208f ist unser Bootshaus als eines der ältesten in Deutschland, in seiner baulichen Entwicklung sorgsam beschrieben*.
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Unser Bootshaus hat also noch viele Geschwister: kleine, große, hübsche, hässliche, moderne, traditionelle … . Allen gemein ist ihre Kernaufgabe: wertvolle Boote gut unterbringen und das Drumherum für den Vereinsbetrieb zur Verfügung stellen. Die Vielfalt der Architektur spiegelt im Spannungsfeld zwischen Sportstätte und Repräsentationsräumen auch immer Zeit und Gesellschaft wider. Bootshaus, Clubhaus, Bootsstall, Vereinsheim, Bootshalle mit Umkleide oder Event-Location.
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Spannend wäre es weiterzugucken: Welche Wassersportarchitektur in den letzten 50 Jahren so entstand, neben Michael Eberl’s Regattastrecke Oberschleißheim oder Ludwig Leo’s DLRG in Berlin. Spannend wie da Repräsentation, Technik und Funktion, auch in Bezug auf Bootsmaterial und Gerät verhandelt wird.
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Über bereits abgebrochene Bootshäuser gibt Hoffmann allerdings keine Informationen. Bei den über 500 Vereinen, die es noch 1933 gab, dürfte das eine ganze Reihe gewesen sein. Vorgestellt werden dafür auch umgenutzte Bootshäuser, z.B. RRK Regensburg als Gastronomie, Bamberger RV als Jugendherberge sowie die Gebäude, deren Zukunft noch ungewiss ist.
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Bootshäuser: Zuflucht für schlafende 8er und glücklich-erschöpfte RudererInnen, Bauten zum Sehen (von Wasser & Wetter) und gesehen werden (als Peilmarke).
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Die wachsende Lust, die sich beim Durchblättern fast schon selbstplanenden Bootshauswanderfahrten ganz, ganz bald anzugehen.
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Das Kompendium sorgt für geschichtliche Einordnung und fundierte Information. Es scheint jedoch fraglich, ob der vom Begriff »Bootshaus« behauptete Bauzweck auch stets von vorrangiger Nutzung durch Sportgerät getragen wird. Zur klar artikulierten Charakterisierung eines »Ruderhauses« reicht ein generisches von Repräsentationsflächen geprägtes »Clubhaus« vielleicht nicht aus.
»Historische Bootshäuser« motiviert, bringt uns weit in die Auslage, um über die Zukunft auch unseres Bootshauses nachzudenken.
*) Es „ist dem zeitgenössischen Schweizerhaus-Stil zuzuordnen. Aus dieser Phase, die bis etwa 1900 anzusetzen ist, sind nur wenige Objekte in Deutschland erhalten und so ist es erstaunlich, dass das Starnberger Bootshaus erst 2020 als Baudenkmal nachqualifiziert wurde“. Stilistische Merkmale dieses Baustils sind „der massive Sockel mit Quadermauerwerk, die Zierfachwerkelemente im Obergeschoss sowie Holzsägearbeiten an Balkonbrüstungen und Giebel“, außerdem die Doppelturmfassade. Der Club „ließ die Fassade Anfang der 50er Jahre weiß verputzen sowie Veranda und Turmausguck mit Fenstern schließen, sodass das Haus eine klassizistische Anmutung erhielt.“ 1976 wurde das Haus mit Holzschindeln verkleidet. „Die Unterschutzstellung … kann nun dazu beitragen, dieses typische Beispiel für frühe Bootshausarchitektur zu erhalten.“
[Buchauszug]
[veröffentlicht in »Riemen & Skull« MRC1880, 04/2022; photo: anja eckert]
Historische BOOTSHÄUSER
Architektur des deutschen Rudersports 1883–1933
Autorin: Petra Hoffmann
256 Seiten, 146 Farb- und 136 SW-Abbildungen
ISBN 978-3-7319-0933-0
Michael Imhof Verlag, 2021